Veröffentlicht 05 Sep 2022

Teil 2/3: Die Bietzeit

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  • Veröffentlicht 05.09.2022 by Admin
  • Zwangsversteigerung - Der Termin
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"Bitte geben Sie nun Ihre Gebote ab", so eröffnet der Rechtspfleger die 30-minütige Bietzeit. Scharenweise stürzen die Menschen nach vorne und geben ihre Gebote ab: 100.000€, 110.000€ und direkt darauf folgen 120.000€. Kurz darauf werden auch diese überboten. Doch ist das tatsächlich so?
Die Antwort lautet: Nein!

Die ersten 20 Minuten laufen in den meisten Verfahren überwiegend ruhig ab. Die Bietinteressenten haben die Möglichkeit das Gutachten und weitere Unterlagen einzusehen und sie wird auf keinen Fall vor Ablauf der 30 Minuten beendet. Daher gibt es keinen Grund, direkt in den ersten Minuten das Objekt hochzubieten. Nimm dir Zeit und gehe alle vorliegenden Unterlagen noch einmal durch.

Dennoch gibt es in der Bietzeit Aspekte, die du beachten musst.

 

Dein Gebot

In der Bietzeit ist immer nur die Rede vom Bargebot, das du bereit bist, "bar" zu zahlen. Doch Vorsicht: Bargebot ist nicht gleich Erwerbspreis!

Ein Beispiel: Wenn auf ein Haus eine eingetragene Grundschuld von 100.000€ hat und du im Gerichtssaal 200.000€ bietest, hast du wirtschaftlich gesehen 300.000€ geboten, auch wenn du vorerst nur 200.000€ an das Gericht bezahlst.

Es ist daher wichtig, allen bestehen bleibenden Rechten einen Wert zuzuordnen und diesen beim Gebot miteinzubeziehen.

 

Wie berechne ich mein Maximalgebot?

Um eine Immobilie erfolgreich zu ersteigern, ist es unerlässlich, sich vorab ein Limit zu setzen. Anhand eines Fallbeispiels zeigen wir dir, welche Punkte du in die Berechnung einbeziehen solltest:

Eigentumswohnung mit 66m² in Bayern. Gutachten vom 01.03.2018.

1. Der Verkehrswert:
Dieser dient dir als Orientierung. Ist er weiterhin angemessen oder liegt die Begutachtung bereits so lange zurück, dass der Marktwert deutlich gestiegen ist? Wie ist der Unterschied zu frei verkäuflichen Immobilien? Lohnt sich der Kauf mit Zwangsversteigerung?

Beachte hierbei, dass du die Immobilie nie zuvor gesehen hast und nimm einen ausreichenden Sicherheitsabschlag vor. Bei der Beispielimmobilie wurde der Verkehrswert mit 200.000€ angesetzt. Der Stichtag des Gutachtens liegt bereits lange zurück, daher nehmen wir eine marktgerechte Wertanpassung vor und erhöhen den rechnerischen Wert auf 250.000€. Aufgrund der von uns nicht durchgeführten Innenbesichtigung, nehmen wir einen Sicherheitsabschlag von 20% vor, welcher als angemessen angesehen werden kann. Es befindet sich keine Grundschuld auf der Eigentumswohnung.

Nach diesem Schritt beträgt der Verkehrswert somit 200.000€.

2. Grundbuch und Grunderwerbssteuer:
Die Kosten für die Grundbucheintragung trägst du. Diese variieren stark und hängen unter anderem von der Höhe der einzutragenden Grundschuld ab. Man kann hierbei von etwa 0,5% des Kaufpreises ausgehen.

Die Kosten für die Eintragung ins Grundbuch betragen im Beispiel ca. 350€ bis 1.000€.

Die Grunderwerbsteuer variiert je nach Bundesland und beträgt zwischen 3,5% bis 6,5%. Im Beispielfall befindet sich die Immobilie in Bayern. Die dortige Grunderwerbsteuer liegt bei 3,5%.

Die Grunderwerbsteuer liegt im Beispiel somit bei ca. 7.000€.

3. Gerichts- und Zuschlagskosten:
Das Gericht erhebt für die Erteilung des Zuschlags eine sogenannte „Hälfte der vollen Gebühr“. Diese entspricht ca. 0,5% des Zuschlagpreises, also deines Gebotes. Je höher der Zuschlagspreis, desto weniger Gebühr muss gezahlt werden. So beträgt die Gebühr bei einem Zuschlag von 1.000.000€ nur noch etwa 0,25%.

Im Beispiel müssen weitere 959€ für die Gerichtskosten eingeplant werden.

4. Zinsen:
Auf das Gebot fallen Zinsen in Höhe von 4% an. Diese berechnen sich wie folgt:
tägliche Zinsen = (Zuschlagsgebot – Sicherheitsleistung) * (1/365) * Tage bis zur Zahlung

Im Beispiel begleichen wir den Betrag bereits nach einem Tag, so dass nur 19,73€ Zinsen anfallen.

Zwischensumme: Bei einem Gebot von 200.000€ müssten ca. 208.350 € als Budget einplanen. Doch diese Summe reicht in den meisten Fällen nicht aus, meist müssen weitere Kosten eingeplant werden.


5. Weitere Kosten:
Der Gutachter gibt oft „objektspezifische Besonderheiten“ oder „Baumängel“ an. Diese werden vorab vom Verkehrswert abgezogen. Dieser Wert muss jedoch noch investiert werden, um die Vermietbarkeit der Wohnung zu gewährleisten.

In unserem Beispiel wurden folgende Baumängel festgestellt:
Pos. 1: Defekte Fliesen im Badezimmer (2.500€)
Pos. 2: Aufgebrauchter Bodenbelag (800€)
Pos. 3: Defekte Heizung (2.000€)
Pos. 4: Zeitnahe Sanierung der Fenster (5.000€)

Baumängel können in drei Kategorien unterteilt werden:

a) Notwendig, um Vermietung aufrecht zu erhalten
b) Notwendig, aber erst in einigen Jahren
c) Kosmetische Mängel

Ein Mangel, der sofort behoben werden muss, ist die defekte Heizung. Auch eine Neuvermietung mit aufgebrauchtem Bodenbelag und defekten Fliesen ist unwahrscheinlich. Die Behebung dieser Mängel führt zu einer erheblichen Verbesserung der Wohnung und sollten vor Mieterwechsel durchgeführt werden. Die Fenster sind hingegen eine planbare Investition.

Im Beispiel handelt es sich um eine unvermietete Wohnung, weshalb weitere 5.300€ für unmittelbare Investitionen eingeplant werden sollte.

Endergebnis: Es wäre ein Fehler, zu denken, dass die Gebotssumme ausreicht, um die Immobilie zu kaufen. Es ist wichtig, alle weiteren Kosten einzukalkulieren. In unserem Fall bieten wir also 200.000€ auf das Objekt, müssen aber mit Kosten von 213.650€ rechnen.

 

Die Berechnung deines Gebotes solltest du bereits vor der Bietzeit durchführen. Gegebenenfalls musst du so nur noch neue Faktoren hinzurechnen, wie fortbestehende Rechte, die dir vorab nicht bekannt waren. Bleibt also beispielsweise ein Recht im Wert von 100.000€ bestehen, so würden sollte das Gebot um jenen Betrag reduziert werden.

 

Die Vertretung

Solltest du nicht selbst zum Termin können, kannst du dich durch eine dritte Person vertreten lassen. Hierfür benötigt die vertretungsberechtigte Person eine öffentlich beglaubigte Bietvollmacht. Die Kosten für eine solche notarielle Bietvollmacht liegen bei ca. 70€ bis 100€.

Ebenso kannst du im Namen einer Firma bieten, beispielsweise wenn der Kauf über dein eigenes Unternehmen stattfinden soll. Hierzu musst du eine entsprechende Befähigung sowie einen aktuellen amtlichen Registerauszug vorlegen. Bist du als Prokurist oder Geschäftsführer eingetragen, ist die Vertretungsbefugnis offenkundig. Andernfalls benötigst du eine entsprechende Befähigung.

Die Unterlagen müssen beim Termin vorgelegt werden. Ohne sie ist keine Gebotsabgabe möglich.

 

Die Sicherheitsleistung

Sobald ein Gebot abgegeben wird, fragt der vorsitzende Rechtspfleger die Gläubiger, ob sie eine Sicherheitsleistung verlangen. Sie ist somit nicht zwingend erforderlich, hilft den Gläubigern jedoch, die Ernsthaftigkeit des Gebots einzuschätzen. Jeder Bieter muss auf Verlangen eine Sicherheitsleistung, auch Bietsicherheit genannt, vorlegen. Nur der Bund, die Länder und einige privilegierte Institutionen sind davon ausgenommen.

Die Bietsicherheit beträgt immer 10% des Verkehrswertes, das Gebot spielt dabei keine Rolle. Beträgt der Wert des Versteigerungsobjektes beispielsweise 200.000€, so musst du 20.000€ als Sicherheit hinterlegen. Eine Barzahlung ist ausgeschlossen. Du kannst die Sicherheitsleistung in folgenden Formen erbringen:

a) als Bundesbankscheck oder im Inland zahlbare Bankverrechnungsscheck, die nicht älter als 3 Tage sind
b) als selbstschuldnerische, unbefristete Bankbürgschaft, die ohne Bedingung ausgestellt worden und im Inland zahlbar ist
c) per Überweisung auf das in der amtlichen Bekanntmachung oder auf der Homepage veröffentlichte Konto der Gerichtskasse

Solltest du das Objekt nicht ersteigern, erhältst du deine Sicherheitsleistung selbstverständlich zurück. Entweder wird der Scheck nach dem Ende des Bietzeitraums wieder ausgehändigt oder die Sicherheitsleistung nach dem Termin an dich zurücküberwiesen.

 

Die Zeit zum Bieten ist gekommen

Nachdem du die Zeit genutzt hast und dir ausreichend Gedanken zum Objekt und zu deinem Gebot gemacht hast, kannst du nun dein Gebot abgeben.
Hierfür musst du dich mit Hilfe eines amtlichen Dokuments, deiner Sicherheit und der ggf. benötigten Vertretungsvollmacht verifizieren und kannst von deinem Platz aus bieten. Dazu musst du nur aufzeigen, dass du bieten möchtest und dein Gebot nennen. Danach wird das neue Höchstgebot verkündet.

Behalte beim Bieten immer dein Maximalgebot im Kopf und überschreite dieses nie. Mehr Informationen dazu findest du im Beitrag "3...2...1... Das Objekt ist deins - Meistgebot berechnen und Bietstrategie entwickeln".

In der Regel endet die Bietzeit nach 30 Minuten. Wenn weiterhin Gebote eingehen, kann sie jedoch auch 60 Minuten oder länger weitergehen.

Sofern du der Höchstbieter bist, solltest du auch unseren Beitrag "Teil 3/3: Die Schluss- und Zuschlagsverhandlung" lesen.
Sollte es dieses Mal nicht geklappt haben, ist das nicht schlimm. Verlasse den Gerichtssaal und bereite dich auf die nächste Versteigerung vor.