Veröffentlicht 24 May 2022

Das Ertragswertverfahren

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  • Veröffentlicht 24.05.2022 by Admin
  • Immobilienbewertung
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Wenn es zur Zwangsversteigerung einer Immobilie kommt, muss eine Ertragswertermittlung stattfinden, um den Wert und das Mindestgebot zu fixieren. Das Ertragswertverfahren stellt den Wert einer Immobilie auf der Grundlage zu erwartender Erträge fest. Es wird somit vorwiegend auf Miet- und Pachtobjekte angewandt. Der Ertragswert ergibt sich aus Bodenwert sowie dem Gebäudeertragswert, d.h. den erwartbaren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Die Ertragswertermittlung beruht auf komplexen Berechnungen und verlangt eine fundierte Marktkenntnis, weshalb man sie am besten von Immobilienexperten oder vereidigten Gutachtern durchführen lässt. Im Folgenden erfährst du mehr über das Ertragswertverfahren bei der Immobilienbewertung im Zuge einer Zwangsversteigerung.

 

Wie funktioniert das Ertragswertverfahren?

 

Am häufigsten kommt das Ertragswertverfahren im Zusammenhang mit einer Immobilienversteigerung zum Einsatz. Grundlage ist die Berechnung des Verkehrswerts oder des erzielbaren Beleihungswerts des Gebäudes sowie allen realistischen Erträgen aus Vermietung und Verpachtung. Als Objekte kommen zumeist Firmenimmobilien oder vermietete bzw. verpachtete Miet- bzw. Gewerbeimmobilien für das Ertragswertverfahren in Frage. Auch bei gemischten Gewerbe- und Wohnimmobilien kann das Verfahren genutzt werden. Bei der Ertragswertermittlung sind die Aufwendungen und laufenden Kosten von den Einnahmen abzuziehen, sodass man die Höhe der Überschüsse feststellen kann. Das Ertragswertverfahren beruht auf §§ 17–20 der Immobilien-Wertermittlungsverordnung. Es ist neben dem Vergleichswertverfahren und dem Sachwertverfahren eines der zulässigen Vorgehensweisen, um den Verkehrswert einer Immobilie festzusetzen.

 

Was ist beim Ertragswertverfahren zu berücksichtigen?

 

Um den Verkehrswert eines Gebäudes mit dem Ertragswertverfahren für Zwangsversteigerungen festzulegen, benötigt man die folgenden Informationen:

 

  • Bodenwert, d.h. der Wert des unbebauten Grundstücks

  • Liegenschaftszins, d.h. den orts- und marktüblichen Zinssatz einer Immobilie bzw. Liegenschaft

  • Summe der Mieteinnahmen und aller anderen Erträge

  • Bewirtschaftungskosten

  • Vervielfältiger, eine Größe zur Angabe der benötigten Zeitspanne, um die Anschaffungskosten mit den Mieteinnahmen wieder auszugleichen

  • bauliche Umstände, d.h. der aktuelle Zustand der Immobilie bzw. erwartbare Kosten für Sanierungen

 

In welchen Zusammenhängen kommt das Ertragswertverfahren zum Einsatz?

 

Das Ertragswertverfahren wird genutzt, wenn das Vergleichswertverfahren oder das Sachwertverfahren nicht sinnvoll angewandt werden können. Das betrifft vor allem gewerblich genutzte Immobilienarten sowie vermietete oder verpachtete Objekte. So zum Beispiel:

 

  • vermietete Ein- und Mehrfamilienhäuser

  • Einkaufszentren, Büro- und Geschäftshäuser

  • Spezialimmobilien wie Tankstellen, Hotels, Restaurants, Logistikflächen, Parkhäuser

  • Objekte mit einer gemischten privaten wie gewerblichen Nutzung

 

Bei allen selbst genutzten Immobilien werden dagegen das Sachwertverfahren oder das Vergleichswertverfahren verwendet. Das Ertragswertverfahren kann in verschiedenen Kontexten zum Einsatz kommen. Beispielsweise im Zusammenhang mit Erb- oder Betriebsteilungen. Hauptsächlich wird es aber für die Ermittlung des Verkehrswerts im Zuge einer Immobilienversteigerung verwendet.

 

Wie wird der Ertragswert eines Objekts berechnet?

 

Die Berechnung des Ertragswerts eines Objekts erfolgt durch einen vereidigten Gutachter oder Sachverständigen. Dabei werden der Grundstückswert und der Wert der baulichen Anlagen voneinander getrennt errechnet. Während der Bodenpreis relativ stabil ist, wirken sich Alterung und Sanierungsbedarf wertmindernd auf ein Gebäude aus. Zum Abschluss werden der Grundstückswert und der Wert der baulichen Anlagen addiert. Im Unterschied zum Vergleichswertverfahren und zum Sachwertverfahren kommt es beim Ertragswertverfahren auf die Art der Nutzung und die erzielbaren Einkünfte an. Als Haupteinflussfaktor ist die realistisch erzielbare Jahresnettokaltmiete heranzuziehen. Wenn keine aktuell gültigen Mietverträge für das gesamte Objekt oder für Teilflächen bestehen, wird der örtliche Mietspiegel herangezogen. Berücksichtigung finden aber auch die laufenden Kosten, wie Betriebskosten, Instandhaltung, Verwaltungskosten und Mietausfallrisiko. Als potenzieller Veräußerungserlös bei Immobilienversteigerungen wird in der Regel das zwölf- bis dreizehnfache der Jahresnettokaltmiete angenommen.

 

Wie ist der Ertragswert definiert?

 

Der Ertragswert eines Objekts ist definiert als der Barwert der Einzahlungsüberschüsse, die aus der Investition in das Objekt zu erwarten sind. Während beim Vergleichs- und Sachwertverfahren nur das Bauland und die baulichen Anlagen für den Wert herangezogen werden, stehen beim Ertragswertverfahren die erzielbaren Erträge im Vordergrund. Überschreiten sie die Summe der investierten Mittel, gilt die Investition als wirtschaftlich sinnvoll. Zudem kommt es auf den Zeitfaktor an. Je schneller diese Überschreitung erreicht wird, desto rentabler ist eine Immobilie. Der Ertragswert spielt nicht nur bei einer Immobilienversteigerung eine Rolle, sondern auch im Steuerrecht bei der Ermittlung des Einheitswerts einer Immobilie. Der Einheitswert ist ein schematisch festgelegter Ertragswert.

 

Wofür braucht man das Ertragswertverfahren?

 

  • Zwangsversteigerungen

  • Erbteilungen

  • Betriebsteilungen

  • steuerliche Festlegung des Einheitswerts

  • Ermittlung des Beleihungswerts

 

Ertragswert und Beleihung

 

Wenn eine Immobilie mit einem Kredit oder einer Hypothek beliehen werden soll, muss ermittelt werden, welche Sicherheit sie dem betreffenden Kreditinstitut bietet. Dafür muss der Beleihungswert errechnet werden. Mithilfe des Ertragswertverfahrens kann der erwartbare Ertrag oder Gewinn aus einer Immobilie einbezogen werden. Das gilt vor allem für vermietete Ein- und Mehrfamilienhäuser und Gewerbeimmobilien. Der Ertragswert liefert die Grundlage für den Beleihungswert. Dadurch kann die Obergrenze für Beleihungen ermittelt werden, zudem hat die Größe einen Einfluss auf Zinsen, Laufzeiten und Tilgungen. Der Beleihungswert bezieht sich auf die geplante Dauer des Beleihungsgeschäfts. Dabei wird der voraussichtlich erzielbare Veräußerungswert zugrunde gelegt. Ergänzend kann das Vergleichswertverfahren angewandt werden, um die Relation zu den regional üblichen Miet- bzw. Veräußerungspreisen zu ermitteln. Keine Berücksichtigung finden hingegen spekulative Elemente und konjunkturelle Schwankungen am Immobilienmarkt.

 

Was ist bei Zwangsversteigerungen zu beachten?

 

In Deutschland finden jährlich ca. 90.000 Zwangsversteigerungen statt. Um Mindestgebote festzulegen, muss der aktuelle Verkehrswert einer Immobilie bekannt sein. Das gilt für Wohnhäuser und Geschäftshäuser gleichermaßen. Die Bestimmung des Verkehrswerts erfolgt durch das Ertragswertverfahren. Dadurch fließen nicht nur der Wert des Baulandes und der baulichen Anlagen in die Bewertung ein, sondern auch die realistisch erzielbaren Erträge aus Vermietung und Verpachtung abzüglich laufender Kosten. Im Zuge von Zwangsversteigerungen führt das zuständige Amtsgericht eine Immobilienbewertung durch. Diese beruht auf dem Urteil von vereidigten Gutachtern, Sachverständigen und anderen Bewertungsspezialisten. In Ergänzung zum Ertragswertverfahren können die Experten das Vergleichsverfahren heranziehen. Durch den Vergleich mit anderen Objekten in der Nähe kann überprüft werden, ob der Wert des Objekts regional üblichen Miet- und Immobilienpreisen entspricht. Der auf einer Auktion tatsächlich erzielte Preis kann durchaus unter dem ermittelten Verkehrswert liegen. So können Immobilieninteressenten bei Zwangsversteigerungen Miet- und Gewerbeobjekte oft sehr günstig kaufen. Dies ist allerdings mit einem Restrisiko verbunden, da in manchen Fällen fehlende Daten für das Ertragswertverfahren geschätzt werden müssen. Das Risiko kann man minimieren, indem man das zugrunde gelegte Gutachten genau studiert und insbesondere auf Baumängel, Sanierungsbedarf und Leerstände achtet.